2005: War of the Worlds (Krieg der Welten, Regie: Steven Spielberg)

Steven Spielbergs grimmiger Science-Fiction-Film War of the Worlds mit Tom Cruise in der Hauptrolle basiert auf H. G. Wells‚ Roman War of the Worlds aus dem Jahr 1897. Spielberg verlegt die Handlung vom viktorianischen London an die US-Ostküste der Gegenwart.

In das einfallsreiche Remake von Byron Haskins The War of the Worlds (1953) integriert Spielberg mehrere Verweise auf den Lieblingsfilms seiner Kindheit.

Gene Barry und Ann Robinson, Darsteller des Originalfilms, sieht man in einem Cameo-Auftritt am Ende von Spielbergs Remake; eine schlangenartige Kamerasonde wird von den Invasoren zur Überwachung eingesetzt (und abgehackt) wie in Haskins Film; eine weitere Anspielung auf den Original-Film ist die Aufnahme mit dem Arm des sterbenden Alien, der die Rampe herabfällt.

Entstehung

Nach dem äußerst erfolgreichen Minority Report (2002) wollen Steven Spielberg und Tom Cruise unbedingt wieder zusammenarbeiten. War of the Worlds ist eine Co-Produktion zwischen DreamWorks, Amblin Entertainment und Cruise / Wagner Productions. Tom Cruise als Hafenarbeiter Ray Ferrier porträtiert eine erstaunliche Wandlung vom geschiedenen Egozentriker zum beschützenden Vater, der verzweifelt versucht, die Zuneigung seiner Kinder unter den denkbar schlechtesten Umständen zurück zu gewinnen.

Zum zweiten Mal seit E. T. – The Extraterrestrial (1982) bringt Spielberg Kinderdarsteller (Dakota Fanning und Justin Chitin) dazu, über die Laufzeit des Films eine intensive und überzeugende Darstellung zu liefern. Miranda Otto, die Ray Ferriers geschiedene Frau spielt, lehnt die Rolle ursprünglich wegen ihrer Schwangerschaft ab, doch Spielberg will sie für die Rolle haben und lässt das Skript ändern, so dass ihre Schwangerschaft ein Teil ihrer Rolle wird. Tim Robbins liefert eine der gruseligsten Darstellungen seiner Karriere. Seine Zeile “It’s not a war any more than it’s a war between men and maggots”, ist ein leicht modifiziertes Originalzitat aus der Romanvorlage.

J.J. Abrams wird von Spielberg und Cruise gebeten, das Drehbuch zu schreiben, doch er muss ablehnen, da er an der Pilotfolge für seine TV-Serie Lost arbeitet. An seiner Stelle entwickelt Josh Friedman einen ersten Entwurf. David Koepp (Jurassic Park) macht daraus eine Gegenwarts-Story mit einem Fantasy-Aufhänger, erzählt in einer hyper-realistischen Form. Koepp katapultiert die modernen Welt zurück in die 1800er Jahre, indem er den Figuren den Zugang zu Elektrizität und modernen Kommunikationstechniken nimmt. Nachdem er den Roman nochmals gelesen hat, fügt er den Erzähler hinzu (von Morgan Freeman gesprochen) und erstellt eine Liste von „Klischees“, denen er in seinem Script aus dem Weg gehen will, z.B. die Zerstörung weltbekannter Gebäude.

War of the Worlds ist nach Close Encounters of the Third Kind (1977) und E. T. the Extra-Terrestrial Spielbergs dritter Film zum Thema außerirdischer Besucher. Produzentin Kathleen Kennedy stellt fest, diesmal sei es Spielbergs Absicht, die Antithese zu den vorherigen Geschichten zu erforschen:

“When we first started developing E.T., it was a much edgier, darker story and it actually evolved into something that was more benign. I think that the edgier, darker story has always been somewhere inside him. Now, he’s telling that story.”

Spielberg zufolge ist War of the Worlds ein Gegenpol zu Close Encounters – ein Film, in dem der Vater seine Familie verlässt, um mit Außerirdischen fortzugehen – während die Handlung von War of the Worlds darauf hinaus läuft, die Familie zusammenzubringen. Spielberg verwirft den ursprünglichen Ansatz des Scripts, die Außerirdischen in Raumschiffen zur Erde zu bringen. Stattdessen möchte Spielberg die Tripods der Invasoren so präsentieren, als seien sie die ganze Zeit tief unter der Erde vergraben gewesen. Die Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ liefert die Einführung des Erzählers: Die Aliens könnten ihre Maschinen verlassen haben, um geduldig die Erde zu beobachten, bis sich die Menschheit auf die erforderliche Anzahl vermehrt hat – wie Vieh in einem Alien-Bauernhof.

Verweise auf 9/11 und George W. Bushs „War on Terror“ sind im Film allgegenwärtig (Angriff auf das Heimatland der US-Bürger; Menschen, die zu Asche zerfallen; Zettel mit Vermisstenanzeigen; abgestürzte Boeing 747; massive militärische Gegenangriffe etc.). Psychologisch kann die Szene mit dem Tripod, der aus der Tiefe emporkommt als Metapher gedeutet werden: Sie steht für die im Unterbewusstsein der Gesellschaft gärende Furcht und Hass gegenüber allem Unbekannten – angestachelt von religiösen Fanatikern innerhalb und außerhalb der USA (das erste Gebäude, das von dem Tripod zerstört wird, ist eine Kirche). Es wartet nur darauf, Unheil anzurichten, sobald es entfesselt ist. Vermutlich bezieht sich Spielberg darauf, wenn er die Tripods wie folgt beschreibt: “a wake-up call to face our fears as we confront a force intent on destroying our way of life.”

Die Vorproduktion ist schon nach drei Monaten beendet – in der Hälfte der sonst üblichen Zeit bei einem Film dieser Größenordnung. Dies wird ermöglicht durch eine neue Pre-Visualisation-Technik von ILM. Spielberg stellt fest: “This is the first film I really tackled using the computer to animate all the storyboards.”

In der Folge können auch die Dreharbeiten nach nur 73 Tagen abgeschlossen werden (in fünf verschiedenen Studios sowie an Drehorten in Kalifornien, Connecticut, New Jersey , New York und Virginia). Kameramann Janusz Kamiński begrenzt Panoramabilder auf ein Minimum, um Erinnerungen an die Amateuraufnahmen bei den 9/11-Terroranschlägen zu wecken: Fast alle Aufnahmen, vor allem während der Tripod-Angriffe, werden auf Blickhöhe der beteiligten Personen gefilmt.

ILM, mit Dennis Muren als Senior Visual Effects supervor, liefert die eindrucksvollen visuellen Effekte für den Film. Um die realistische Wirkung zu erhöhen, werden CGI- und Bluescreen-Aufnahmen mit Miniatur- und Live-Action-Aufnahmen verwoben. Die Zerstörung der Bayonne-Brücke zählt zu den kompliziertesten Szenen dieser Art. Bei der Darstellung der Tripods versucht das ILM-Team organische und mechanische Elemente zu verschmelzen. Spielberg beschreibt ihre Bewegungen als „scary ballet dancers“. Das Tripod-Design beruht auf H.G. Wells‘ literarischer Beschreibung, einschließlich der Hitzestrahlen. Das rote „Unkraut“ und der Menschen-„Bedarf“ der Aliens ist ebenfalls dem Roman entnommen.

Kamiński erläutert, wie der komplexe Long Shot mit Cruise und den Kindern auf der Flucht im Auto als eine einzige Einstellung konzipiert und dann von ILM aus drei verschiedenen Takes digital „zusammengenäht“ wird. Zunächst wird die Fahrt auf der Long Island-Autobahn gedreht – mit einem Motorradfahrer als Fixpunkt für den Wagen. Dann entstehen die Aufnahmen an der Außenseite des Autos und schließlich im Studio die Innenaufnahmen. Bei jedem Durchgang werden exakt dieselben Kamerabewegungen durchgeführt. “ILM brilliantly married all those elements and created this really wonderful thing,” sagt Kaminski.

Zum ersten Mal muss John Williams seinen Score anhand eines unvollständigen Spielberg-Films komponieren, da ihm nur die ersten sechs Rollen, ca. 60 Minuten, als Referenz zur Verfügung stehen. Er betrachtet seine Partitur als „very serious piece“. Zwei Dinge muss er in seiner Musik kombinieren: „frightening atmosphere“ und „propulsively rhythmic drive for the action scenes“.

Unmittelbar nach der Premiere von War of the Worlds beginnt Spielberg mit dem Dreh für sein nächstes Projekt, Munich (2005), das noch im selben Jahr in den Kinos startet – eine weitere Doppelsalve von Spielberg.

Während der Pressekampagne für den Film bringt Tom Cruise Spielberg in Verlegenheit, indem er für die Church of Scientology wirbt und sich in öffentlichen Auftritten seltsam benimmt (Herumspringen auf Oprahs Couch), so dass Spielberg beschließt, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden.

Rezeption

Das Gros der Kritiker reagiert positiv auf War of the Worlds, das Publikum weniger enthusiastisch. Viele Zuschauer (und Kritiker) loben den Anfang des Films, missbilligen aber das Ende. Roger Ebert bemängelt das „Retro-Design“ und vertritt die Ansicht, die Alien-Invasion sei trotz des großen Budgets eher „rudimentary“ und „not very interesting“. Als beste Szenen wertet er Ray unter dem Flugzeugwrack und den Zug in Flammen. “Such scenes seem to come from a kind of reality different from that of the tripods.”

War of the Worlds wird für drei Oscars nominiert: Visual Effects, Sound Mixing (Andy Nelson, Anna Behlmer und Ron Judkins) und Sound Editing, verliert jedoch gegen Peter Jacksons King Kong (ein weiteres Remake). Der Film ist ein großer Kassenerfolg und nimmt weltweit 591 Millionen Dollar ein (bei einem üppigen Budget von 132 Millionen Dollar), zu diesem Zeitpunkt ist dies das höchste Einspielergebnis eines Films mit Tom Cruise in der Hauptrolle.

Mehr

Die Anfangssequenz des Films sowie seine politische Dimension betrachten wir in unserem Buch Steven Spielberg – Tiefenscharfe Analysen.

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