Steven Spielbergs The Terminal ist eine fabelhafte Geschichte über Menschen und Menschlichkeit. Tom Hanks spielt Viktor Navorski, ein Tourist aus dem fiktiven osteuropäischen Land Krakosien, der auf dem New Yorker JFK International Airport wochenlang ausharren muss, als es in seinem Heimatland zur Revolution kommt. Die Bürokratie des U.S. Department of Homeland Security, verkörpert durch den leitenden Beamten Frank Dixon (Stanley Tucci), verhindert eine Einreise in die Vereinigten Staaten ebenso wie die Rückreise nach Krakosien.
Während Navorski improvisieren muss, um während seines erzwungenen Daueraufenthalts in der internationalen Transitlounge zurecht zu kommen, entdeckt er im Miniaturkosmos des Terminals eine komplexe Welt aus Absurdität, Großzügigkeit und sogar Romantik.
Anstatt einen realistischen Film über die Alpträume und Frustrationen eines Staatenlosen zu drehen, konzentriert sich Spielberg auf die humorvollen Aspekte der Hauptfigur, die auf einfallsreiche Weise mit ihrer Situation umgeht. In seiner vorausblickenden (und als leichte Komödie getarnten) Satire über den Kampf eines Flüchtlings gegen die Mühlen der Bürokratie lässt Spielberg Viktor (!) als Sieger hervorgehen.
Entstehung
Obwohl es im offiziellen Begleitmaterial zum Film unerwähnt bleibt, ist das Drehbuch (verfasst von Sacha Gervasi und Jeff Nathanson) von der realen Geschichte des iranischen Flüchtlings Mehran Karimi Nasseri inspiriert. Von 1988 bis 2006 lebt er im Terminal 1 des Charles de Gaulle Airport in Paris, weil ihm geeignete Reisedokumente für seinen Transferflug nach Großbritannien fehlen. Jahrelang sind die Behörden damit beschäftigt, Ordnung in seinen komplizierten Fall zu bringen, während Flughafenangestellte und Passagiere den Gestrandeten mit Lebensmitteln und Zeitungen versorgen. Dreamworks SKG zahlt Nasseri 250.000 Dollar für die Rechte an seiner unglaublichen Geschichte. Als The Terminal in die Kinos kommt, drapiert Nasseri seinen Koffer mit einem Poster des Films.
Spielberg wählt für seinen Film bewusst Akteure verschiedener Ethnien, darunter Chi McBride, Diego Luna, Rini Bell, Valeriy Nikolaev, Guillermo Diaz und viele andere. Der Saxophonist im New Yorker Hotel wird von Benny Golson höchstpersönlich gespielt. Tony Randall hat einen Cameo-Auftritt im TV-Spot „I Love New York“, der auf den Monitoren im Terminal für die Stadt wirbt. Sasha Spielberg sieht man als Lucy, das Mädchen mit dem Koffer, die Viktor helfen will.
Tom Hanks überzeugt in seiner bravourösen Darstellung des Viktor Navorski, für die er desöfteren improvisiert (die Sprechweise hat er sich von seinem Schwiegervater Allan Wilson abgeguckt, einem bulgarischen Einwanderer). Allerdings lässt Spielberg seinen Filmeditor Michael Kahn eine Szene entfernen, in der Hanks mit einer Telefonkarte herumfuchtelt und ruft, „Home phone, home phone!“, um Vergleiche mit E.T. – The Extraterrestrial (1982) zu vermeiden, auf den die Zeile anspielt.
Nachdem sie in der weiblichen Hauptrolle in der erfolgreichen Dreamworks- Produktion The Mask of Zorro (1998) auf sich aufmerksam machte, wird Catherine Zeta-Jones als Flugbegleiterin und Viktors love-interest Amelia Warren besetzt. Sie sieht toll aus und spielt ihren Part sehr gut, doch ist ein gewisser Mangel an Chemie zwischen ihr und Tom Hanks zu spüren. Stanley Tucci brilliert als Viktors Widersacher, Homeland Security-Chef Frank Dixon, der davon besessen ist, den Staatenlosen am Verlassen des Flughafens zu hindern und Viktor als bürokratische Panne betrachtet, ein lästiger Stolperstein für Dixons bevorstehende Beförderung.
Gupta, ein schelmischer Flughafen-Hausmeister, wird von Kumar Pallana verkörpert, der den anderen in manchen Szenen die Show stiehlt. In jungen Jahren bereiste Pallana mit seinen Jonglier-Künsten die Welt, was Spielberg kurzerhand zum Anlass nimmt, seine Performance in die witzige Dinner-Sequenz des Films zu integrieren.
Als Star Trek-Fan versieht Spielberg seinen Film mit einer Hommage auf die Original-Serie, im damaligen US-Fernsehen ein Vorbild zur Förderung von Völkerverständigung: Immigration Officer Dolores Torres (Zoe Saldana) akzeptiert einen Heiratsantrag mit der Vulkanier–Geste. Saldana spielt die Rolle von Communications Officer Uhura in J.J. Abrams Kino-Neuverfilmung Star Trek (2009), in der sie eine Beziehung mit Spock eingeht – einem Vulkanier…
Weil Spielberg für seinen Film kein geeignetes Flughafen-Terminal findet, lässt er es in einem Hangar auf dem Gelände des L.A./Palmdale Regional Airport in Originalgröße errichten. Das voll funktionsfähige Set wird mit Rolltreppen, TV-Flachbildschirmen und Fluginformations-Anzeigetafeln ausgestattet; Lebensmittel, Bücher, Mode usw. werden in Läden angeboten, die von den Firmen gesponsert sind. Während Janusz Kamińskis Kamera durch das geschäftige Treiben des Terminals gleitet, fühlt man sich mittendrin wie Viktor, dessen Wille und Großmut die Menschen, auf die er trifft, berührt und verwandelt (mit Ausnahme von Dixon).
Das spektakuläre Set-Design von Alex McDowell sowie der komödiantische Stil von The Terminal sind von Jacques Tatis visionärem Film Play Time (1967) inspiriert. Spielberg selbst nennt folgende Einflüsse:
John Williams‘ hervorragender Score setzt auf Klänge osteuropäischer Herkunft, die er häufig von Klarinette, Klavier oder Akkordeon spielen lässt. Williams komponiert sogar eine Nationalhymne für das fiktive Land Krakosien.
Nach einem Test-Screening (Dreamworks zufolge mit sehr positiven Reaktionen) werden Pressevorführungen verschoben, weil Spielberg den Wunsch verspürt, das Ende neu zu filmen (ursprünglich fährt Flugbegleiterin Amelia mit Viktor nach Manhattan).
Rezeption
The Terminal eröffnet das 61. Filmfestival in Venedig, doch die meisten Kritiker reagieren verhalten. Der britische Filmkritiker Philip French nennt den Film „Frank Capra’s The Trial“. Der Film erhält keine Oscar-Nominierung und bleibt einer der am meisten unterschätzten Filme von Steven Spielberg.
The Terminal spielt weltweit 219,4 Millionen Dollar ein und ist (verglichen mit dem gut investierten Budget von 60 Millionen Dollar) sehr profitabel.
In den USA wird der Film jedoch als Box-Office-Enttäuschung eingeschätzt (als Spielberg-Film und mit Tom Hanks in der Hauptrolle). Nach 9/11 fühlt sich das amerikanische Mainstream-Publikum offenbar unwohl in einer „Tragikomödie“ über Flugzeuge, Homeland Security und Immigranten – sie bevorzugen harmlose Sommer-Filme wie White Chicks und Dodgeball.
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Die ersten Bilder und die politische Dimension des Films nehmen wir in unserem Buch Steven Spielberg – Tiefenscharfe Analysen unter die Lupe.