1975: Jaws (Der Weiße Hai, R: Steven Spielberg)

Spielbergs erster Blockbuster: Jaws (deutscher Titel: Der Weiße Hai). Der bis heute innovativste Thriller auf hoher See mit Roy Scheider als wasserscheuem Kleinstadt-Polizist und Robert Shaw als Seebär Quint bricht alle Kinokassenrekorde und begeistert Kritiker und Publikum zugleich. Eine Zeitlang will niemand im Meer baden, weil einem John WilliamsJaws-Thema nicht mehr aus dem Kopf geht.

Richard Dreyfuss spielt in Jaws Spielbergs filmisches Alter Ego: Der Meeresbiologe Hooper behauptet sich mit Chuzpe gegen Quints ruppiges Auftreten. Spielberg wird Dreyfuss noch in zwei weiteren Filmen einsetzen: Close Encounters (1977) und Always (1989).

Robert Shaws berühmter USS Indianapolis-Monolog stammt aus der Feder von Howard Sackler. Diese Fassung wird von John Milius und Carl Gottlieb umgeschrieben und am Ende von Robert Shaw selbst überarbeitet. Der Alkoholiker Shaw braucht zwei Anläufe, um Quints Monolog zu sprechen: Von der Version, die er im betrunkenen Zustand abliefert, ist nur wenig zu gebrauchen. Am nächsten Tag liefert der nüchterne Shaw eine brilliante Performance, und sein gesamter Monolog ist in einem Take im Kasten. Für den Film kombiniert Spielberg Aufnahmen aus beiden Drehtagen; dazwischen geschnitten werden Reaction-Shots vom abseits stehenden Roy Scheider.

Der erst 26-jährige Spielberg wird als „Wunderkind“ gefeiert, obwohl er bei den chaotischen Dreharbeiten beinahe das Handtuch geworfen hätte.

Spielberg erinnert sich noch gut an die Situation, als für eine Szene die meisten Einstellungen entstanden, die er je bei einem Film gedreht hat:

I did 50 takes on Robert Shaw assembling the Greener Gun on Jaws. The shark wasn’t working, so I just kept shooting to make the production report look like we were accomplishing something and to keep cast and crew from going crazy from boredom. It was a strategic indulgence.

Seine Erfahrungen bei diesem Film fasst er so zusammen:

Jaws was my Vietnam. It was basically naive people against nature, and nature beat us every day.”

Die Produzenten Daryl F. Zanuck und David Brown brauchen gute Nerven, doch es lohnt sich: Jaws ist der erste „Summer Blockbuster“ und rückt auf Platz 1 der „All Time Box Office“-Liste. Er bleibt dort, bis der Film zwei Jahre später von Star Wars entthront wird. Heute befindet sich Jaws (inflationsbereinigt) immer noch auf Platz 7.

Von seinem Regie-Idol Alfred Hitchcock “leiht” sich Spielberg für Jaws einen Kamera-Effekt, mit dem er Panik visualisiert: den Dolly Zoom. Hitchcock über Spielberg: “Isn’t that the boy who made the fish movie?” und “Young Spielberg is the first one of us who doesn’t see the proscenium arch.

Enttäuschung bei den Oscars: Mit hohen Erwartungen lässt sich Spielberg bei der Verkündung der Oscar-Nominierungen filmen. Er wird aber für den Regie-Oscar nicht einmal nominiert. Immerhin erhält der Film drei Oscars für Besten Ton, Schnitt (Verna Fields) und Musik sowie eine Nominierung in der Kategorie Bester Film.

Jaws zieht diverse Fortsetzungen nach sich, mit denen Spielberg nichts zu tun haben will. Als einer der jüngsten Multi-Millionäre in den USA hat Spielberg nun freie Wahl für seine nächsten Projekte.

 

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Den kreativen Prozess vom Roman über das Drehbuch zum Film sowie die berühmte Anfangssequenz betrachten wir in unserem Buch Steven Spielberg – Tiefenscharfe Analysen.

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