1993: Jurassic Park (R: Steven Spielberg)

Erneut dreht Spielberg zwei Filme im selben Jahr. Der erste ist Schindler’s List, in Spielbergs eigenen Worten sein „most significant film“. Der zweite ist Jurassic Park, ein bahnbrechender Film voller Spektakel, Nervenkitzel und Abenteuer, oder mit den Worten Spielbergs: „a good sequel to Jaws, on land“.

 

Entstehung

Spielberg hat vor, Schindler’s List zuerst zu drehen, doch MCA Präsident Sid Sheinberg gibt für den Holocaust-Film nur unter der Bedingung grünes Licht, dass Spielberg Jurassic Park als erstes verfilmt. Spielberg zeigt Verständnis: „He knew that once I had directed Schindler I wouldn’t be able to do Jurassic Park.“ Sheinbergs Entscheidung zwingt Spielberg, die Post-Production von Jurassic Park von Polen aus per Satelliten-Übertragung zu überwachen, während er bereits Schindler’s List dreht.

Jurassic Park basiert auf Michael Crichtons Bestseller-Roman über einen Erlebnispark mit geklonten Dinosauriern auf einer entfernten tropischen Insel. In einem harten Bieterkampf kauft Universal die Filmrechte für 1.500.000 Dollar plus einem Anteil an den Einnahmen des Films und zahlt Crichton weitere 500.000 Dollar für einen ersten Entwurf des Drehbuchs (vgl. Peter Benchley, der für die Filmrechte an seinem Roman Jaws nur 150.000 Dollar erhielt sowie 25.000 Dollar für einen ersten Script-Entwurf).

Crichtons First Draft wird von Malia Scotch Marmo (Hook) überarbeitet, die versucht, die Figuren von Grant und Malcolm zu verschmelzen – eine Technik, die auch Steven Zaillian in seinem Drehbuch für Schindler’s List anwendet. Als schließlich David Koepp die Arbeit am Drehbuch übernimmt, wird Scotch Marmos Idee der Zusammenführung (zum Glück) fallengelassen.

Auf Basis von Spielbergs Ideen weicht Koepp deutlich von der Romanvorlage ab, indem er zum Beispiel die animierte „Pre-Show“ mit Mr. DNA einführt, Hammonds Enkelin Lex mit den Fähigkeiten eines Computer-Nerds versieht und am Filmhöhepunkt die „heroische“ Rückkehr des T. rex einbaut. Anders als im Roman wird der Parkeigentümer John Hammond (Sir Richard Attenborough) nicht als eindimensionaler Bösewicht porträtiert, sondern als ein exaltierter Träumer , der vom Showmanship besessen ist – ganz ähnlich wie Spielberg und Walt Disney.

Die Paläobotanikerin Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) ist präsenter als im Roman, und die Figur des Paläontologen Dr. Alan Grant (Sam Neill, anstelle von Spielbergs ursprünglicher Wahl Harrison Ford) erfährt mehr Charakterentwicklung: Sein Unbehagen gegenüber Kindern verliert sich allmählich, als „das Leben einen Weg findet“ und T. rex & Co. die Jagd auf Hammonds Enkelkinder eröffnen. Sie alle müssen von der Insel fliehen, bevor der Park im Chaos versinkt – analog zur Vorhersage des Mathematikers Ian Malcolm (brillant gespielt von Jeff Goldblum). Anders als im Roman überleben Malcolm und Hammond, und Malcolm darf viel mehr sarkastische Sprüche liefern, wie z.B.: „Wenn Pirates of the Caribbean ausfällt, essen die Piraten nicht die Touristen.

Spielberg verfeinert nicht nur die Scherenschnitt-artigen Romanfiguren, er verleiht sogar den Dinosauriern gewisse Charaktereigenschaften. Paul Bullock belegt in seiner detaillierten E-Book-Analyse, dass hinter Jurassic Park weitaus mehr steckt als ein „Triumph technischer Innovation“ oder eine „Flucht aus der Realität“. Unter der spannenden Oberfläche des Films vermittelt Spielberg seinem Publikum Demut vor der Natur anstelle wissenschaftlicher Arroganz. Ein weiterer Subtext zielt auf die Verantwortung des Individuums, zu handeln (nicht nur hinzuschauen), wenn andere Hilfe benötigen – ein zentrales Thema von Schindler’s List. In einer mehrdeutigen Anspielung auf die  von ihm selbst geschaffene Ära der Blockbuster zeigt Spielberg einen Merchandise-Shop mit Produkten, die nach dem Kinostart tatsächlich erhältlich sind.

Kameramann Dean Cundey und Produktionsdesigner Rick Carter (zum ersten Mal unter der Regie von Spielberg) erschaffen eine kontrastierende Welt aus üppigen Landschaften und spektakulären High-Tech-Sets.

Fay Wray am Set von Jurassic Park
Fay Wray (sitzend in der Mitte); von links: Michael Crichton, Kathleen Kennedy, Stan Winston und Steven Spielberg. Foto: © The Making of Jurassic Park von Don Shay, Ballantine Books, 1993

Fay Wray, Hauptdarstellerin und Scream Queen in King Kong (1933), einer großen Inspiration für Jurassic Park, wird auf das Filmset auf Hawaii eingeladen (siehe Foto) und berät die junge Schauspielerin Ariana Richards, wie man richtig laut schreit.

Durch massiven Einsatz von Storyboards und akribische Vorbereitung enden die Dreharbeiten bereits nach 98 Tagen – zwölf Tage früher als geplant – bei einem Budget von 63 Millionen Dollar (Hook war teurer); eine große Leistung auch der Produzenten Kathleen Kennedy und Gerald R. Molen, immerhin wurde der Drehort von Iniki teilweise zerstört, dem stärksten Hurrikan, der Hawaii in der aufgezeichneten Geschichte heimgesucht hat.

Ursprünglich will Steven Spielberg die Dinosaurier in einer Kombination aus Go-Motion-Animationen von Phil Tippett und lebensgroßen Animatronics von Stan Winston auf der Leinwand zum Leben erwecken. Aber dann erzählt ihm ILM Visual Effects Supervisor Dennis Muren von neuen CGI-Technologien und meint, er könne die Dinos vielleicht im Computer erschaffen. Als Muren schließlich Spielberg und Tippett die ersten CGI Animatics zeigt, in der ein Tyrannosaurus eine Gallimimus-Herde jagt, sagt Spielberg zu Tippet, „You’re out of a job“, worauf der antwortet: „Don’t you mean extinct?“ Spielberg lässt Murens CGI Animatics und den Dialog mit Tippet in das Drehbuch einbauen.

Das Brüllen des Tyrannosaurus erzeugt Gary Rydstrom aus einer Kombinarion verschiedener Tier-Geräusche (Hund, Pinguin, Tiger, Alligator und Elefant) – ähnlich der Art, wie Sounddesigner Ben Burtt galaktische „Sprachen“ und Soundeffekte für Star Wars entwickelte.

John Williams komponiert einen der schönsten (und einprägsamsten) Scores seiner Karriere.

Bis heute entstehen drei Fortsetzungen – davon eine unter der Regie von Spielberg: The Lost World – Jurassic Park (1997).

Auf Jurassic Park spielen unzählige Filme an, darunter auch Star Wars – The Last Jedi (2017): Wellenformen in einer Teetasse kündigen die Pferde-ähnlichen Tathiers an, die wie eine Dinosaurier-Herde durch das Canto Bight Casino jagen.

 

Rezeption

Jurassic Park erhält großen Zuspruch durch die Kritiker und drei Academy Awards für die Best Visual Effects, Best Sound Mixing und Best Sound Editing.

Der Film spielt weltweit über 900 Millionen Dollar ein und ist der finanziell erfolgreichste Film Spielbergs (sein Privatvermögen wächst um 250 Millionen Dollar). Zum dritten Mal setzt er sich mit einem Film an die Spitze der „All Time Box Office“-Liste und deplatziert seinen eigenen Film E.T. – The Extraterrestrial. Heute hält Jurassic Park immer noch Platz 17 (inflationsbereinigt).

 

Mehr

Die Anfangssequenz sowie die Unterschiede zwischen Romanvorlage und Drehbuch betrachten wir in unserem Buch Steven Spielberg – Tiefenscharfe Analysen.

 

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