1982: E.T. the Extra-Terrestrial (E.T. – der Außerirdische, R: Steven Spielberg)

In seinem bis heute persönlichsten Film porträtiert Spielberg Kinder als fantasievollen und ernst zu nehmenden Teil der Gesellschaft – kurz: als Hoffnungsträger. Es sind Kinder, die in E.T. wie selbstverständlich vorleben und praktizieren, was in Close Encounters nur angedeutet blieb: die friedliche Koexistenz von Repräsentanten verschiedener Welten und Denkmuster.

Spielberg begibt sich mit der Kamera auf Augenhöhe der Kinder bzw. des Außerirdischen und zeigt Erwachsene konsequent nur von der Hüfte abwärts. Unter der Oberfläche der scheinbar simplen Story geht es um den manchmal schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens und Themen wie staatliche Überwachung und die zunehmende Umweltzerstörung – ein Thema, mit dem sich Spielberg auch in Poltergeist (1982) befasst.

Entstehung

Drehbuchautorin Melissa Mathison besucht ihren damaligen Freund Harrison Ford in Tunesien, am Set von Raiders of the Lost Ark (1981). Steven Spielberg plant schon seinen nächsten Film und möchte ihn intimer und persönlicher gestalten, mit einer Handlung, die von seiner Kindheit in der Vorstadt geprägt ist. Während der Drehpausen teilt er seine Ideen mit Mathison und überredet sie, das Script zu schreiben. In nur acht Wochen liefert sie einen Entwurf ab mit dem Titel E.T. and Me. Spielberg erinnert sich:

“Melissa delivered this 107-page first draft to me and I read it in about an hour. I was just knocked out. It was a script I was willing to shoot the next day. It was so honest, and Melissa’s voice made a direct connection with my heart.”

Mathisons Drehbuchentwurf wird noch zweimal umgeschrieben, dabei werden einige Szenen entfernt und dafür andere ergänzt, darunter die berühmte Verfolgungsjagd gegen Ende des Films sowie die komische Szene, in der E.T. zuviel Bier trinkt.

Spielberg fasst seine Sicht auf E.T. wie folgt zusammen:

„I don’t like picking a favorite of my films, because it’s kind of like saying you have a favorite child. The most significant film I’ve made is Schindler’s List, but the most personal film I’ve made is E.T. It’s now become a cliche to say that a movie is for the child in all of us. But I think that E.T. is for the people we are, the people we have been, and the people we want to be again.“

„I wanted to tell the story of a lonely boy in a relationship with siblings, and I also wanted to tell the story of the divorce of my parents. Elliott’s not me – but yes, he’s the closest thing to my experience in life, growing up in suburbia. […] The house in E.T. is very much like the house I was raised in. That’s my bedroom!”

Carlo Rambaldi erweckt die originelle und ausdrucksstarke Figur des Außerirdischen als mechanische Puppe (mit einem Arsenal aus komplizierter Steuerungs-Mechanik und Elektronik) zum Leben. Um die Kinderdarsteller zur Improvisation zu ermutigen, verzichtet Spielberg erstmals auf Storyboards und dreht weitgehend chronologisch. Drew Barrymore als Gertie und Henry Thomas als Elliott spielen die Rollen ihres Lebens.

In einer erweiterten Version der Sequenz in der Schule sieht man einen wild gewordenen Elliott, der die Wand mit komplizierten Schaltkreisen vollkritzelt, bevor ihn die Schul-Krankenpflegerin (Melissa Mathison) zum Rektor bringt, der offscreen von Harrison Ford gespielt wird. Die Szene endet leider auf dem Boden des Schnittraums.

Sätze wie „E.T. phone home“, poetische Bilder wie das fliegende Fahrrad vor dem Vollmond (Kamera: Allen Daviau) und die stimmungsvolle Musik von John Williams gehen in die Popkultur ein. Spielberg wählt das Mond-Motiv als Logo für seine Filmproduktionsfirma Amblin Entertainment.

Rezeption

In der „All Time Box Office“-Liste rückt E.T. auf Platz 1 und löst damit Jaws ab. Heute hält E.T. immer noch Platz 4 (inflationsbereinigt).

E.T. entwickelt sich zu einem derartigen Event, dass Spielberg von Präsident Ronald Reagan zu einer Privatvorführung ins Weiße Haus eingeladen wird. Die angebliche Nähe zu Reagan nimmt ihm ein Teil des Filmkollegiums noch lange Zeit übel.

Bei der Weltpremiere in Cannes sitzt François Truffaut im Publikum. Er sendet Spielberg ein Telegramm mit der augenzwinkernden Botschaft „You belong here more than me“– ein Satz aus der Feder Spielbergs, mit dem Truffaut in seiner Rolle als Lacombe in Close Encounters seine Bewunderung gegenüber dem kindlichen Roy Neary ausdrückt.

Variety lobt E.T. als „best Disney film Disney never made“.

Die Intensität, mit der Spielberg Bilder und Musik auf die Zuschauergefühle einhämmern lässt, polarisiert allerdings Publikum und Kritik . Viele lehnen E.T. aus denselben Gründen ab, die von den Fans als Höhepunkte wahrgenommen werden.

Bei den Academy Awards wird E.T. in neun Kategorien für den Oscar nominiert (u.a. Bester Film, Regie, Kamera, Schnitt, Drehbuch) und erhält vier Auszeichnungen für Musik, Spezialeffekte, Ton und Toneffektschnitt. In allen anderen Kategorien verliert der Film gegen einen anderen friedliebenden Außenseiter: Richard Attenboroughs Gandhi.

Daraufhin besetzt Spielberg Richard Attenborough in Jurassic Park (1993) und Gandhi-Darsteller Ben Kingsley in Schindler’s List (1993) sowie die Nebendarsteller Amrish Puri und Roshan Seth in Indiana Jones and the Temple of Doom (1984).

Seit seiner Premiere hat E.T. the Extra-Terrestrial kaum an Ausstrahlung eingebüßt. Da sich seitdem sowohl Makeup, als auch visuelle Effekte weiterentwickelten, konnte es sich Spielberg nicht verkneifen, im Jahr 2002 eine digital überarbeitete Version herauszubringen (20th Anniversary-Fassung).

Damit folgte er George Lucas, der fünf Jahre zuvor seiner ersten StarWars-Trilogie (1977-1983) ein „Digital-Lifting“ unter der Bezeichnung „Special Edition“ gegönnt hatte. Beide Neufassungen stießen auf viel  Kritik, und Spielberg distanzierte sich 2011 von seiner Neufassung:

„I realized that what I had done was I had robbed the people who loved E.T. of their memories of E.T. And I regretted that.“

Immerhin lehnt Spielberg – trotz des großen finanziellen Erfolgs – alle Angebote für eine Fortsetzung bis heute kategorisch ab.

Mehr

Erzähltechniken, Motive und Merkmale der Bildgestaltung in diesem Film betrachten wir en detail in unserem Buch Steven Spielberg – Tiefenscharfe Analysen.

Kommentar verfassen