2019: Steven Spielberg zieht eine Linie zwischen Kino- und Fernseh-Filmen

Bei der jährlichen Preisverleihung der Cinema Audio Society wird Steven Spielberg am 16. Februar 2019 mit dem Filmmaker Award ausgezeichnet.

In seiner Dankesrede betont er die Unterschiede zwischen Filmen, die für das Fernsehen oder für das Kino entstanden. Seine Regie-Kollegen fordert er auf, Filme für das Kino zu drehen:

I hope all of us really continue to believe that the greatest contributions we can make as filmmakers is to give audiences the motion picture theatrical experience. I’m a firm believer that movie theaters need to be around forever.

I love television. I love the opportunity. Some of the greatest writing being done today is for television, some of the best directing for television, some of the best performances [are] on television today. The sound is better in homes more than it ever has been in history but there’s nothing like going to a big dark theater with people you’ve never met before and having the experience wash over you. That’s something we all truly believe in.

Schon im März 2018 vertritt Spielberg die Ansicht, Filme von Streamingdiensten wie z.B. Netflix kämen nicht für Auszeichnungen bei den Academy Awards in Frage:

Once you commit to a television format, you’re a TV movie. You certainly, if it’s a good show, deserve an Emmy, but not an Oscar. I don’t believe films that are just given token qualifications in a couple of theaters for less than a week should qualify for the Academy Award nomination.

Als Mitglied des Board of Governors der Academy kündigt Steven Spielberg an, sich für die Einführung einer neuen Regel einzusetzen, derzufolge sich nur Filme für die Oscars qualifizieren können, die in einer noch festzulegenden Mindestzeitspanne regulär in den Kinos liefen. Unterbinden möchte er damit die bisherige Praxis von Streamingdiensten, ihre Oscar-Anwärter nur pro forma in wenigen ausgewählten Kinos zu zeigen und parallel oder direkt im Anschluss für ihr Streaming-Publikum freizuschalten.

Auslöser für Spielbergs Vorstoß ist der von Netflix produzierten Film Roma, der bei den Academy Awards 2019 Nominierungen in 10 Kategorien erhält und 3 Oscars für Best Foreign Language Film, Best Director und Best Cinematography gewinnt.

Spielbergs Absicht, die Regeln zu verschärfen, sorgt für große Aufmerksamkeit in den Medien. Netflix antwortet auf Twitter:

We love cinema. Here are some things we also love:
– Access for people who can’t always afford, or live in towns without, theaters
– Letting everyone, everywhere enjoy releases at the same time
– Giving filmmakers more ways to share art
These things are not mutually exclusive.

Das Bekenntnis gilt den von Netflix engagierten Regisseuren und den zahlenden Netflix-Abonnenten – nicht den Filmtheatern – und löst eine kontroverse Debatte über die Frage aus, unter welchen Bedingungen Streaming-Filme bei den Oscars zugelassen werden sollten.

Makan Delrahim, Leiter der Anti-Korruptionsabteilung im US-Justizministerium, schickt am 21. März einen Brief an die Academy und warnt vor Eingriffen in den freien Wettbewerb. Er lässt dabei außer Acht, dass es sich bei der Academy nicht um einen Verband der Filmindustrie, sondern um eine ehrenamtlich arbeitende Organisation handelt, die sich um die Bewahrung und Fortentwicklung des Films kümmert, und zwar auf kulturellem, pädagogischem und technologischem Gebiet. Die Academy zeichnet herausragende Leistungen mit dem Oscar aus (hierfür ist sie befugt, Regeln zur Teilnahmeberechtigung autark festzulegen). Sie befasst sich ausdrücklich nicht mit ökonomischen, arbeits- oder politischen Angelegenheiten der Filmwirtschaft.

In den sozialen Medien wird Spielberg von vielen Heuchelei vorgeworfen, als er bei einem Apple-Event am 25. März 2019 die von ihm produzierte TV-Reihe Amazing Stories vorstellt. Sie soll auf der Streaming-Plattform Apple TV+ ausgestrahlt werden, die sich im Wettbewerb zu Netflix positioniert. Die Kommentare in den sozialen Medien berücksichtigen nicht, dass es sich bei der Neuauflage von Amazing Stories um das Ergebnis einer seit langem geplanten Zusammenarbeit mit Apple handelt.

Wegen der laufenden Vorbereitungen für sein West Side Story-Remake in New York nimmt Spielberg am jährlichen Meeting des Academy Board nicht teil. Das Academy Board beschließt am 24. April 2019, das Regelwerk in Bezug auf Streaming-Anbieter nicht zu ändern.

In einem Artikel der New York Times fasst Steven Spielberg seine Ansichten zusammen: “I want people to find their entertainment in any form or fashion that suits them. [However,] I want the theatrical experience to remain relevant in our culture.”

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