2014: Boyhood (R: Richard Linklater)


Boyhood (Regie und Drehbuch: Richard Linklater) erzählt die Geschichte von Mason Evans, Jr. (Ellar Coltrane), der als Scheidungskind in Texas aufwächst. Der Film verfolgt seine Entwicklung etappenweise vom 6-jährigen Kind zum 18-jährigen Jungen. Zum Cast gehören Patricia Arquette und Ethan Hawke als Masons Eltern und Lorelei Linklater (Tochter des Regisseurs) als Masons ältere Schwester Samantha.

Die Produktion startet ohne vollständiges Drehbuch – es enthält lediglich grundlegende Anhaltspunkte zur Handlung sowie das Ende, einschließlich der letzten Einstellung. Der unabhängige Filmverleih IFC finanziert das Projekt mit 200.000 Dollar pro Jahr. Cast und Crew treffen sich ein oder zweimal pro Jahr und drehen in einem Zeitraum von drei bis vier Tagen (die gesamte Drehzeit beträgt 45 Tage). Trotz der enormen Risiken des Projekts muss Linklater den Geldgebern zu keinem Zeitpunkt zeigen, was er inzwischen gedreht hat. Der Film entsteht vollständig auf 35mm-Film.

Linklater ändert die Form, in der Filme üblicherweise erzählt werden, indem er das Drehbuch während des Produktionsverlaufs entwickelt und neue Abschnitte der Story schreibt, nachdem er die Aufnahmen des Vorjahres angeschaut hat. Als Linklater Veränderungen an seinen Darstellern bemerkt, baut er sie oft in sein Script ein und ermöglicht den Darstellern, ihrerseits eigene Lebenserfahrungen in ihre Rollen zu integrieren (ohne allerdings die generelle Richtung der Story zu verändern).

Linklater engagiert als Hauptdarsteller den 6-jährigen Ellar Coltrane, der zusammen mit den anderen Darstellern im Laufe der 12 Jahre währenden Entstehung des Films älter wird. Sowohl Ethan Hawke, als auch Patricia Arquette werden in dieser Zeit tatsächlich geschieden, heiraten neu und bringen Kinder zur Welt.

Keiner der Darsteller ist vertraglich verpflichtet, jedes Jahr erneut am Set zu erscheinen; Grund dafür ist ein Gesetz (De Havilland Law), demzufolge die vertragliche Bindung einer Person über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren illegal ist.

Ethan Hawke fasst seine Erfahrungen beim Dreh zusammen:

“It’s Tolstoy-esque in scope. I thought Before Sunrise (1995) was the most unique thing I would ever be a part of, but Rick has engaged me in something even more strange. Doing a scene with a young boy at the age of seven when he talks about why do raccoons die, and at the age of 12 when he talks about video games, and 17 when he asks me about girls, and have it be the same actor—to watch his voice and body morph—it’s a little bit like time-lapse photography of a human being.”

In der Lagerfeuer-Szene des Films, die im Jahr 2008 spielt, unterhalten sich Vater und Sohn über die Möglichkeit eines neuen Star Wars-Films. Boyhood wird in dem Jahr veröffentlich, als die Dreharbeiten für Star Wars: The Force Awakens (2015) beginnen.

12 Years ist der ursprüngliche Titel des Films. Linklater ändert ihn später, um Verwechslungen mit dem Academy Award-Sieger 12 Years a Slave (2013) zu vermeiden.

Boyhood feiert seine Premiere am 19. Januar 2014 beim Sundance Film Festival. Der Film nimmt am Wettbewerb der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin teil; Linklater wird mit dem Silbernen Bären als Bester Regisseur ausgezeichnet. Boyhood gewinnt drei Golden Globe Awards für Best Motion Picture – Drama, Best Director und Best Supporting Actress (Patricia Arquette). Der Film wird für sechs Academy Awards nominiert einschließlich Best Picture, Best Director, Best Supporting Actor (Hawke) – er gewinnt in der Kategorie Best Supporting Actress (Arquette).

Glaubt man der Review-Aggregator-Website Metacritic, dann ist Boyhood der von Kritikern bislang am besten bewertete Film des 21. Jahrhunderts. Regisseur Christopher Nolan bezeichnet Boyhood als “an extraordinary movie”.

Wie Steven Spielberg ist Richard Linklater ein autodidaktischer Filmemacher und bekannt für seine humanistisch orientierten Filme, die sich oftmals mit dem Alltag in der Vorstadt befassen. Mit Boyhood kommen weitere Elemente hinzu, die typisch für Spielberg-Filme sind: Ein Junge wächst auf und erlebt das Trauma der Scheidung seiner Eltern: ein mit Fehlern behafteter Vater und eine starke Mutter, die ihr Bestes gibt.

An der Kinokasse erweist sich Boyhood als profitabel: Der Film spielt weltweit 46,4 Millionen Dollar ein (bei einem äußerst sparsamen Budget von 4 Millionen Dollar).

Richard Linklaters nächster Film Everybody Wants Some (2016) beginnt da, wo  Boyhood endet: Ein junger Mann taucht am College auf und trifft auf seine Mitbewohner und ein Mädchen.

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